hinduistische Kunst

hinduistische Kunst
hinduịstische Kunst,
 
die seit etwa dem 2. Jahrhundert v. Chr. (nach einer fast 1000-jährigen Phase ohne Bildüberlieferung) in den brahmanisch-hinduistischen Bilder- und Tempelkulten entstandenen Gattungen und Stile der indischen Kunst sowie die außerhalb Indiens von hinduistischen Tradition geprägten Kunststile Südostasiens (Java, Bali, Khmer, Cham).
 
An der frühesten indischen Kunst hat die hinduistische Kunst einen relativ geringen Anteil, da die Kunst dieser Periode vorwiegend unter dem Einfluss der buddhistischen Religiosität stand. Neben dem symbolischen Kultbild (Lingam, Shaligrama) standen in der hinduistischen Kunst im Gegensatz zur buddhistischen Kunst, die lange Zeit die Darstellung des Buddha in menschlicher Gestalt vermied, von Anfang an immer anthropomorphe Götterbilder im Zentrum des Schaffens. Vermutlich dienten Kultfiguren (Terrakotta-, Steinstatuetten) der Volkskulte und der volkstümlichen Heldenverehrung als Vorbilder für die ersten Darstellungen hinduistischer Hochgötter. Schon früh wurden jeder Gottheit die ihrem Wesen entsprechenden Kennzeichen zugeordnet (Attribute, Handgesten, Körperhaltungen, Begleittiere). Die hinduistische Kunst hat außergewöhnliche Bildlösungen gefunden, um theologische Konzepte darzustellen, so z. B. durch Vervielfältigung bestimmter Körperteile (Arme, Köpfe, Augen) die übermenschlichen Fähigkeiten und die Vielzahl der Wesensaspekte einer Gestalt. Weitere Umsetzungen sind z. B. Verschmelzungen mehrerer Gottheiten in einer Gestalt (Harihara). Es entwickelte sich eine anfangs noch flexible, später jedoch immer rigider werdende Ikonographie. Seit dem frühen Mittelalter wurden detaillierte ikonographische Vorschriften für die Herstellung von Bildwerken in zahlreichen Handbüchern niedergelegt. Hinter dieser strengen Normvorgabe steht der Gedanke, dass das sakrale Bildwerk durch eine bestimmte Bildordnung mit der Ordnung des Universums in Einklang gehalten werden muss.
 
Die frühen hinduistischen Bildwerke (v. a. während der Herrschaft der Kushandynastie, Nordindien) sind statuarische Götterbilder der Gottheiten Vasudeva, Krishna, Balarama, Shiva, Durga, Skanda, Surya u. a. Mit der Verbreitung der Tempelbaukunst seit der Guptazeit, der klassischen Periode der indischen Kunst, auch im Dekhan und in Südindien wuchs die Vielfalt der Kultfiguren und Reliefszenen. Mit dem allmählichen Niedergang des Buddhismus in Indien erreichte die hinduistische Kunst unter den mittelalterlichen Dynastien weitere Höhepunkte (Pratihara-, Candella-, Solankidynastie in Nordindien, Calukyadynastie in Zentralindien und zunächst Pallava-, danach Coladynastie in Südindien). Seit der islamischen Eroberung (um 1200) ist ein Niedergang der hinduistischen Kunst zu beobachten gewesen. Nur in den vom Islam nicht berührten Gebieten Indiens (v. a. in Südindien: Vijayanagar, Orissa) und nun auch in Südostasien entstanden in der Folgezeit noch bedeutende Schöpfungen hinduistischer Kunst in Stein, nur in der hinduistischen Miniaturmalerei war durch islamischen Einfluss (persische Buchmalerei) ein Aufblühen (Rajputmalerei) zu verzeichnen.
 
 
H. G. Franz: Hinduist. u. islam. Kunst Indiens (Leipzig 1967);
 
Symbolik des Hinduismus u. des Jainismus, bearb. v. V. Moeller (1974);
 H. Plaeschke: H. K. (Wien 1978);
 A. u. P. Keilhauer: Die Bildsprache des Hinduismus (1983);
 R. Russek: Hinduismus. Bilderkanon u. Deutung (1986);
 E. Schleberger: Die ind. Götterwelt. Ein Hb. der hinduist. Ikonograpie (1986).

Universal-Lexikon. 2012.

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